Hamburgs Freiheitstag: 110 Menschen aus Haft wegen Schwarzfahrens befreit!
Rund 110 Menschen, darunter eine 54-jährige Frau aus Billwerder, wurden am Freedom Day vom Freiheitsfonds freigekauft.

Hamburgs Freiheitstag: 110 Menschen aus Haft wegen Schwarzfahrens befreit!
Rund 110 Menschen aus deutschen Gefängnissen waren am Donnerstag der 12. Juni 2025 die glücklichen Begünstigten eines einzigartigen Aktionstags. Die Initiative „Freiheitsfonds“ hat sie freigekauft, um ein Zeichen gegen die Kriminalisierung von Menschen zu setzen, die wegen Fahrens ohne Ticket verurteilt wurden. In Hamburg war auch eine 54-jährige Frau aus der Justizvollzugsanstalt Billwerder darunter, die erst nach sechs Tagen aus ihrer 50-tägigen Haftstrafe entlassen wurde. Sie war wegen Erschleichens von Leistungen verurteilt worden, einem Delikt, das viele Menschen in Not bringt, weil sie zu wenig Geld für ein Ticket haben.
Die Sprecherin des „Freiheitsfonds“, Leonard Ihßen, machte klar, dass Haftstrafen eine enorme Belastung für die Justiz darstellen und die sozialen Folgen für die Betroffenen katastrophal sind. Dieser Aktionstag zielt darauf ab, Druck auf die neue Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) auszuüben, um den Straftatbestand des Fahrens ohne Fahrschein abzuschaffen. „Wir müssen die Menschen aus Haft und aus Armut befreien“, so Ihßen.
Die Situation in Hamburg hat sich in den letzten Jahren zugespitzt. Aufgrund der hohen Auslastung der Gefängnisse wurden seit November 2022 Ersatzfreiheitsstrafen für Männer ausgesetzt. Seit dem 1. Juni 2023 werden jedoch verurteilte Männer, die ihre Geldstrafen nicht bezahlen können, wieder zur Strafverbüßung geladen. Besonders betroffen sind hier Menschen mit geringem Einkommen. Hamburg bemüht sich, die Verbüßung dieser Strafen zu vermeiden oder zu verkürzen, indem sie auf gemeinnützige Arbeiten oder Ratenzahlungen setzen.
Ein Blick auf andere Städte zeigt, dass bereits einige Wege gefunden wurden, um die Kriminalisierung des Fahrens ohne Ticket zu lockern. In Bremerhaven beispielsweise stellte man 2012 die Strafanträge wegen fehlender Tickets ein, weil der Aufwand in keinem Verhältnis zum finanziellen Nutzen stand. ähnliche Schritte wurden in Städten wie Wiesbaden, Düsseldorf und Köln unternommen. Dort gibt es mittlerweile fraktionsübergreifende Anträge zum Verzicht auf solche Anzeigen und Alternativen wie ermäßigte Monatstickets für Menschen in prekären Lebenslagen, die sich ein reguläres Ticket nicht leisten können.
Doch warum eigentlich fahren so viele Menschen ohne Ticket? Oft spielen finanzielle Nöte eine Rolle. Menschen in schwierigen Lebenslagen, wie wohnungslose oder psychisch erkrankte Personen, sind besonders betroffen. Jährlich müssen rund 9.000 Menschen wegen der fehlenden Fahrscheine inhaftiert werden, oft mit dramatischen Folgen für ihr Leben und ihre Psyche. Ein Hafttag kostet den Staat etwa 150 Euro, was die Diskussion um die Entkriminalisierung immer drängender macht.
Eine Reform auf Bundesebene ist in der Mache. Ein bereits vorliegender Gesetzesentwurf sieht vor, dass das Fahren ohne Ticket nicht mehr als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit behandelt werden soll. Es bleibt abzuwarten, ob eine vollständige Entkriminalisierung erreicht werden kann, wie sie vom „Freiheitsfonds“ gefordert wird. Die Menschen hinter diesen Statistiken sind mehr als nur Zahlen. Sie verdienen es, aus der Haft befreit und in unsere Gesellschaft integriert zu werden.
Zum Abschluss bleibt festzuhalten, dass die Debatte über Fahren ohne Ticket nicht nur ein juristisches, sondern auch ein fundamentales soziales Thema ist, das uns alle angeht. Wir müssen einerseits die Justiz entlasten und andererseits den betroffenen Menschen vorenthalten, was sie in ihrer Situation am meisten braucht: die Möglichkeit, in Würde und ohne Angst leben zu können. Der „Freedom Day“ könnte der erste Schritt auf diesem langen Weg sein, dem viele Städte hoffentlich folgen werden.