
Hamburg steht am Anfang eines bemerkenswerten kulturellen Projekts: Der Bau einer neuen Oper, gesteuert von Milliardär Klaus-Michael Kühne, wird derzeit vorangetrieben. Mit einer Unterstützung von 330 Millionen Euro sorgt Kühne dafür, dass die Stadt in den Fokus der Opernwelt rückt. Der Hamburger Senat hat in den Verhandlungen Maß genommen, um finanzielle Risiken zu minimieren und plant den Bau des neuen Opernhauses am Baakenhöft in der Hafencity. Trotz dieser Ambitionen gibt es jedoch Bedenken hinsichtlich der Risiken, die ein solches Großprojekt für die Stadt erheblich mit sich bringen könnte, wie ndr.de berichtet.
Das neue Opernhaus wird von vielen als „Oligarchen-Oper“ bezeichnet, was auf die Frage hinweist, inwiefern der finanzielle Einfluss einzelner Großspender die Kulturförderung der Stadt prägt. Der designierte Intendant Tobias Kratzer hat sich zum Ziel gesetzt, bis in die „Champions League“ der Opernlandschaft vorzudringen. Dennoch ist die Kritik aus den Reihen des etablierten Opernpublikums laut, besonders angesichts der Tatsache, dass für den Bau dieses neuen Hauses öffentliche Mittel und private Gelder unglücklicherweise vermischt werden.
Historische und soziale Kontexte
Ein weiterer Aspekt, der die Diskussion um das neue Opernhaus anheizt, ist die umstrittene Kolonialgeschichte des Standorts Baakenhöft. Von dort aus sind im 19. Jahrhundert deutsche Soldaten aufgebrochen, um am Völkermord an den Herero und Nama teilzuhaben. Der Hamburger Senat hat sich zwar zur Aufarbeitung dieser Vergangenheit verpflichtet, jedoch wirft die geplante Nutzung des Standorts für ein modernes Opernhaus Fragen auf, die in die Stadtgesellschaft getragen werden müssen. Der Widerstand unter den Bürgern wächst, da viele die Notwendigkeit eines neuen Opernhauses in Anbetracht des bereits vorhandenen, kulturell bedeutenden Spielorts in Hamburg in Frage stellen.
Zudem zeigt der Trend in der Opernlandschaft, dass das Publikum seit Jahren kleiner und elitärer wird. Laut dem Theaterwissenschaftler Rainer Glaap ist der Zugang zur Oper für Menschen aus niedrigeren Einkommensschichten deutlich erschwert. Operntickets erfahren mittlerweile eine gesteigerte staatliche Bezuschussung, was als Umverteilung von unten nach oben wahrgenommen wird. Dies wirft grundlegende Fragen nach der Zugänglichkeit und sozialen Gerechtigkeit in der Kulturfinanzierung auf sowie die Rolle, die Städter und staatliche Institutionen dabei einnehmen.
Kulturförderung und ihre Herausforderungen
Die Diskussion um das neue Opernhaus zeigt auch die strukturellen Herausforderungen, die die Kulturfinanzierung in Deutschland betrifft. Deutschland erhält jährlich rund 17 Milliarden Mark an öffentlichen Zuschüssen für kulturelle Einrichtungen. Durchschnittlich leisten Bund, Länder und Kommunen etwa 310 Mark pro Jahr für jeden Opernplatz. Dies wirft die Frage auf, inwiefern private Sponsoren die öffentliche Finanzierung unterstützen können und sollen, zumal Bürger und Unternehmen jährlich nur etwa 500 Millionen Mark als direkte Sponsorenbeiträge für Opern, Theater und Galerien bereitstellen, wie tagesspiegel.de analysiert.
Die neuen Entwicklungen in Hamburg stehen daher nicht nur für einen frischen Wind in der Kulturszene, sondern auch als Indikator für tiefere gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragestellungen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Gespräche und die Planungen weiterentwickeln und ob die breite Gesellschaft an diesem kulturellen Projekt tatsächlich teilnehmen kann.