
Die Ehe von Gerda und Werner Wolff aus Hamburg ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Resilienz und der Veränderungen, die die Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg durchlebt hat. Seit ihrer Hochzeit im Jahr 1949 pflegen sie eine Beziehung, die beide als großes Glück empfinden. Ihre ersten Verabredungen fanden in einer Zeit nach dem Krieg statt, die von Zerstörung und Not geprägt war. Gerda, geboren am 30. Juni 1929, wuchs in Eimsbüttel auf, wo ihre Kindheit durch die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg jäh beendet wurde, als ihr Wohnhaus 1943 zerstört wurde. Auch Werner Wolff, der am 4. Juli 1924 in Hamburg-Barmbek zur Welt kam, hatte das Grauen des Krieges während seiner Zeit im Reichsarbeitsdienst und an der Front in Russland erlebt.
Die beiden lernten sich während ihrer Ausbildung bei der Hamburger Sparkasse kennen. Ihre Heiratszeremonie war schlicht; sie bestand aus einem Carepaket mit Lebensmitteln aus Amerika. Gerda war zu diesem Zeitpunkt erst 19 Jahre alt und benötigte die Zustimmung ihrer Mutter als Vormund. Gemeinsam begegneten sie den Herausforderungen der Nachkriegszeit, lebten bescheiden in einer Ein-Zimmer-Wohnung und schränkten sich in ihrer Ernährung ein, indem sie zum Beispiel keine Butter kauften, da sie zu teuer war.
Der Weg zur Gleichheit und die Rolle der Frauen
Die Wolffs sind nicht nur ein Paar, das sein langes gemeinsames Leben feiert, sondern sie sind auch Teil einer größeren Geschichte, die von den gesellschaftlichen Umbrüchen zwischen der Nachkriegszeit und den 50er Jahren geprägt ist. Diese Zeit war gekennzeichnet von einem Rückschritt in der Gleichberechtigung der Geschlechter. Trotz des im Grundgesetz von 1949 verankerten Recht auf Gleichheit wurden viele Frauen in die Rolle der Hausfrau gedrängt, selbst wenn sie während des Wiederaufbaus entscheidende berufliche Aufgaben übernommen hatten. Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes stellt klar, dass “Männer und Frauen gleichberechtigt” sind, doch die gesellschaftlichen Normen hielten nicht Schritt mit der rechtlichen Entwicklung.
In den 50er Jahren hatten Ehemänner das Recht, die Arbeitsverträge ihrer Frauen für nichtig zu erklären, was viele Frauen in eine abhängige Position versetzte. Sie waren oft gleichzeitig für den Haushalt verantwortlich, während sie versuchten, berufliche Ambitionen zu verfolgen, was zu Überarbeitung führte. Diese Entwicklungen standen im Kontrast zu der wochenmarktbesuchten und kochfreudigen Lebensweise der Wolffs, die den einfachen Alltag schätzten und ihr Glück in der Familie fanden.
In der Familie und der Gesellschaft
Die Wolffs hatten zwei Töchter, Andrea und Anke, die die Veränderungen in der Gesellschaft hautnah miterlebten. In der Zeit, als sie aufwuchsen, war die Vorstellung vom idealen Leben für viele Frauen, zu heiraten und Kinder zu bekommen, stark ausgeprägt. Diese gesellschaftliche Norm prägte den Alltag der Wolffs und jener vielen Familien, die mit Verantwortung, aber auch mit sozialem Druck konfrontiert waren. Bis Ende der 50er Jahre erlebte das Land auch einen Anstieg der Scheidungsraten, die nach dem Krieg angestiegen waren, während die Schwierigkeiten, die Ehen durch den Krieg erlitten hatten, nicht unerheblich waren.
Gerda und Werner Wolff betonen, dass Differenzen in ihrer Ehe immer offen besprochen wurden und Geld nie ein Streitpunkt gewesen sei. Ihr Trauspruch „Der eine trage des anderen Last“ ist für sie mehr als nur eine Floskel; er hat bis heute Gültigkeit. Beide haben in der gegenseitigen Unterstützung stets einen Weg gefunden, auch in Krisenzeiten zusammenzuhalten. Im hohen Alter von 95 und 100 Jahren genießen sie ihre Zeit gemeinsam und blicken auf ein erfülltes Leben zurück, in dem nicht das Nehmen, sondern das Geben im Vordergrund steht.